Was haben Kängurus mit Laufen zu tun? Hier erfährst du mehr. Ich freue mich Dir heute den Gastartikel von Julian Weiß vorzustellen, in dem er auf die enorme Wichtigkeit des Faszientraining (nicht nur!) für Laufeinsteiger eingeht. Faszientraining – für mehr Beweglichkeit, mehr Koordination, als Verletzungsschutz und für ein effektives (Lauf) Training!
Vielen lieben Dank an Julian Weiß für diesen wertvollen Artikel! Mehr von Julian Weiß unter http://faszienbuzz.com
Regeneration nach dem Joggen mit einem effizienten Faszientraining
Seit 10 Jahren bin ich ein begeisterter Läufer und nutze jede Gelegenheit um mir meine Laufschuhe anzuziehen und Strecke zu machen. Egal ob im Urlaub oder wenn ich über das Wochenende meine Eltern besuche. Joggen gehört bei mir einfach dazu.
Dabei geht es mir neben der sportlichen Betätigung vor allem darum, den Alltag zu vergessen und den Kopf frei zu bekommen. Egal, wie schlimm der Tag auch gewesen sein mag, nach einem guten Lauf sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Unüberwindbare Hürden, wie schwere Prüfungen, die Frage was ich nach dem Studium machen möchte, scheinen plötzlich lösbar.
Aus diesem Grund freue ich mich besonders über die Gelegenheit, dir als Laufanfänger hier meine zweite große Leidenschaft zu präsentieren: unsere Faszien. Während eines Kurzurlaubs mit einer guten Freundin, die Physiotherapeutin ist, kam ich das erste Mal mit Thema Faszien in Berührung.
Sie wies mich darauf hin, dass ihr etwas an meinem Oberschenkel aufgefallen sei und sie vermutete, dass meine Faszien in diesem Bereich verklebt wären.
Ich persönlich hielt bis zu diesem Zeitpunkt nicht viel von Dehnübungen nach dem Sport, wurde allerdings eines Besseren belehrt.
Dr. Ingo Froböse, Professor am Institut für Bewegungstherapie der Deutschen Sporthochschule in Köln, erklärte in einem Interview mit Spiegel Online, dass bei manchen Sportarten Dehnen vorher negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit während dem Training haben kann. Allerdings sei dies nur der Fall, wenn wie beim Fußball Schnellkraft gefragt sei. Für Hobbysportler bzw. Läufer rät er dennoch, eher die ersten fünf Minuten ruhiger zu laufen.
Die Regeneration durch ein Faszientraining dagegen, zielt nicht nur darauf ab, den unbeliebten Muskelkater zu bekämpfen und unsere Muskulatur aufzuwärmen.
Gerade als Laufanfänger, ist dein Körper an die Belastungen, denen er beim Joggen ausgesetzt ist, nicht gewöhnt. Er muss sich erst an die Belastung gewöhnen und ein Federungssystem speziell für das Joggen entwickeln. Das ist nur einer der Gründe, wieso für dich das Faszientraining so interessant ist.
Wenn du denkst, dass der menschliche Gang allein auf Basis von Muskelkraft ermöglicht wird, dann irrst du dich. Die Faszien tragen eine entscheidende Rolle, um uns Menschen das Laufen über mehrere Stunden zu ermöglichen, ohne dass wir vor Erschöpfung umfallen.
Ich werde in einem späteren Kapitel genauer auf die Federfunktion unsere Faszien eingehen. Doch zunächst solltest du einen Überblick bekommen, was wir eigentlich unter dem Begriff Faszien verstehen
Was sind Faszien?
Als Faszien wird ein Netzwerk aus Bindegewebe bezeichnet, das alle Schichten unseres Körpers von der Unterhaut bis in die Organe durchdringt und umfasst.
Faszien bestehen grundsätzlich aus Proteine und Wasser. Dabei unterscheidet man die Strukturproteine Kollagen und Elastin. Während das Strukturprotein Kollagen eine feste Struktur vorweist und somit dem Menschen seine Form verleiht, handelt es sich bei Elastin um weiche Strukturfasern, die dehnbar sind.
Die Zusammensetzung der Faszien hängt von der Körperregion und deren Funktion ab. Faszien umfassen die gesamten Weichteilkomponenten des Bindegewebes, die Sehnen, Bänder, Hüllen der Organe sowie Gelenkkapseln. Grundsätzlich produzieren Zellen, sogenannte Fibroblasten, welche in den Faszien verteilt sind, die Strukturproteine.
Faszien können von äußerlichen Einflüssen wie Stress beeinflusst werden und die Zusammensetzung der Hauptbestandteile in bestimmten Bereichen verändern.
Wie wirken Faszien auf unseren Bewegungsapparat?
Faszien durchziehen also unseren gesamten Körper und erfüllen in den verschiedenen Köperteilen unterschiedliche Funktionen. Wir haben bereits erfahren, dass sie uns unsere Form verleihen, außerdem dienen sie als Versorgungsnetzwerk wie eine große Autobahn in unserem Körper. Da unsere Faszien neben den Hauptbestandteilen auch aus vielen Nervenendigungen bestehen, kommunizieren die Faszien mit unserem Nervensystem, nehmen Reize aus der Umwelt auf und leiten diese weiter.
Eine wesentliche Funktion, die dich als Laufanfänger allerdings interessieren sollte, ist die Unterstützung unserer Bewegungsabläufe.
Um dir die Rolle der Faszien dabei zu veranschaulichen möchte ich mit dir einen Ausflug in die Tierwelt machen.
Hast du dich jemals gewundert, wie es möglich ist, dass Antilopen oder Kängurus über eine enorme Sprungkraft verfügen?
Wie ist das möglich?
Sind diese Tiere etwa die Bodybuilder in der Tierwelt und verfügen über enorme Muskeln?
Ihr äußeres Erscheinungsbild lässt nicht darauf schließen, dass sie über diese Art von Muskeln verfügen.
Du vermutest es vielleicht schon. Das perfekte Zusammenspiel von Muskeln und Faszien sorgen dafür, dass diese Tiere zu enormen Leistungen fähig sind.
Um dieses Zusammenspiel zu verstehen, müssen wir uns die einzelnen Faszienschichten anschauen, die dazu benötigt werden.
• Endomysium: Schicht aus Bindegewebe, welche die einzelnen Muskelfasern umgibt
• Epimysium: Verschiebeschicht zwischen den Faszien und den Muskelfaserbündeln
• Sehne: Straffes Fasziengewebe aus dicht gepackten und besonders kräftigen Kollagenfasern
Kommt es zu einer Muskelkontraktion wird die Kraft dank der Faszienschichten auf die Knochen übertragen. Das Endomysium, als Hülle der einzelnen Muskelfasern, übergibt die Kraft an das Epimysium und dieses wiederum an die Sehne. Da es sich idealerweise um elastisches Material handelt, können die Schichten, die Energie besser speichern.
„Physikalisch gesprochen, rücken die Atome unter Druck enger zusammen und kehren, wenn die Krafteinwirkung nachlässt, an ihren alten Platz zurück“ (vgl. Schleip, 2014, Position 752).
Du kannst dir das Bein eines Kängurus wie ein Katapult vorstellen. Dieses wurde im Mittelalter verwendet, um Gegenstände weit zu schleudern. Um das zu erreichen, wurde das Katapult gespannt. Durch das Lösen der Spannung entwickelt sich kinetische Energie und der Arm des Katapults schleudert den Gegenstand in die Ferne. Beim Känguru werden die Sehnen als elastisches Gummiband vorgespannt. Wird die Energie freigesetzt, zieht sich die Sehne in ihre ursprüngliche Form zurück und kinetische Energie wird freigesetzt. (vgl. fascial-fitness, n.a.)
Dank dem Katapulteffekt benötigt das Känguru nur ein Minimum seiner Muskelkraft. Diese wird lediglich zum Spannen der Feder benötigt.
Den gleichen Effekt finden wir auch im menschlichen Gang bzw. beim Joggen. Interessant ist, dass der reine Gang dank dem Katapulteffekt ca. 70% weniger Muskelkraft benötigt als Joggen.
Daraus lässt sich schließen, dass Joggen und der normale Gang unterschiedliche Federungssysteme benötigen.
Damit komme ich auf meinen anfangs erwähnten Punkt zurück. Wenn du gerade mit dem Joggen beginnst, muss sich dein Körper erst an die neue Belastung gewönnen und ein Federungssystem aufbauen.
Außerdem sind die Faszien in unseren Beinen nicht die einzigen, die sich an die neue Belastung gewöhnen müssen. In unserem Körper finden sich verschiedene Faszienbahnen, die aus verschiedenen einzelnen Faszien bestehen. Da es sich um ein Netzwerk in unserem Körper handelt, sind die Faszien aber alle verbunden. Wir verfügen über 5 Faszienbahnen, die unseren Körper unter Spannung halten.
Für den Gang ist vor allem die oberflächliche Rückenlinie von Bedeutung. Diese beginnt an der großen Faszie der Fußsohle (Facia Platnaris) und zieht sich über den Muskel am Oberschenkelknochen, zum Kreuzbein, zu den Rückenstreckermuskel bis zum oberen Teil des Schädels
Regeneration durch Ganzkörperdehnung
Über die Spannungsketten sind also auch andere Faszien während dem Joggen beansprucht.
Ein einseitiges Training könnte zur Folge haben, dass du, gerade wenn du am Beginn deiner Läuferkarriere stehst, nicht dein volles Potential ausschöpfen kannst.
Das zehrt an der Motivation. Aus diesem Grund rate ich dir, von Anfang an auf eine ausgewogene Ganzkörperdehnung zu setzen. Der Zeitaufwand ist denkbar gering. 2-3 Einheiten pro Woche für die du ca. 10-15 Minuten aufwenden musst.
Laut verschiedener Sportwissenschaftler gehört mittlerweile das Faszientraining zu einem ausgewogenen Muskel-, Kreislauf-, und Koordinationstraining dazu.
Ferner ist die Ganzkörperdehnung deshalb so wichtig, da die richtige Körperhaltung für eine optimale Lauftechnik unerlässlich ist. Dehnübungen für den Rumpf, den Oberkörper und die Schultern wirken sich positiv auf eine optimale Lauftechnik aus.
Welche Folgen können bei Läufern durch verklebte Faszien auftreten?
Wenn du gerade mit dem Joggen begonnen hast oder beginnen möchtest, hast du wahrscheinlich noch nichts von dem Läuferknie (ITBS) gehört.
Ich wünsche dir, dass du damit keine Erfahrung machen wirst und lege dir daher das Faszientraining ans Herzen. Bei einem Läuferknie handelt es sich um einen stechenden Schmerz am äußeren Knie. Der Schmerz tritt meist nur während dem Joggen auf und sobald du stehen bleibst, ist er wieder weg.
Die Ursache ist eine überbeanspruchte Sehnenplatte am Knie. Die sogenannte Tractus iliotibialis verläuft an der Außenseite des Oberschenkels zum Schienbein.
Kommt es zu einem Läuferknie, reibt die Sehnenplatte über Knochen und strapaziert das Gewebe. Dieses entzündet sich und verursacht einen unangenehmen Schmerz. Sehnen gehören, wie wir bereits erfahren haben auch zu den Faszien und können durch ein Faszientraining gezielt massiert werden.
Ursachen für ein Läuferknie gibt es viele, die Bekanntesten sind aber:
• Zu schneller Trainingsaufbau, Übertraining
• Verkürzte oder unflexible Muskulatur bzw. Faszien an der Oberschenkel-Außenseite
• Fehlstellungen der Beinachsen (vor allem O-Beine)
Gerade der zu schnelle Trainingsaufbau ist für Laufeinsteiger ein hoher Risikofaktor.
Da es verschiedene Ursachen für das Läuferknie geben kann, gibt es auch verschiedene Behandlungsmethoden und das Faszientraining ist nicht bei allen Ursachen hilfreich.
Allerdings eignet es sich ideal als Präventionsmaßnahme, um zu verhindern, dass es überhaupt zu einem Läuferknie kommt.
Für ein gezieltes Training gegen ein Läuferknie, solltest du vor allem auf Faszienübungen für die oberflächliche Rückenlinie setzen.
Ich setze jetzt seit einigen Monaten auf ein ausgewogenes Faszientraining und fühle mich super. Tatsächlich fühle ich mich nicht nur flexibler, sondern auch der Alltag lässt sich besser meistern. Da ich tagsüber die meiste Zeit vor dem Computer sitze, klagte ich immer über Nackenschmerzen und war abends so platt, dass manchmal das Laufen ausfallen musste. Mittlerweile fühle ich mich leistungsfähiger und freue mich bereits auf meinen Lauf am Abend.
Ich hoffe, ich konnte dir als Laufeinsteiger dieses wichtige Thema etwas näher bringen, ohne dass du dich überrannt fühlst. Diese Art von Training ist selbstverständlich nicht zwingend und wenn du eine andere Methode gefunden hast, mit der du dich wohl fühlst, dann bleib dabei. Viele andere Übungen greifen den Gedanken des Faszientrainings auf, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Möchtest du mit dem Faszientraining beginnen, hilft dir die Blackroll (für mehr Infos hier klicken) optimal dabei!
Viel Spaß beim Training!
Quellenverzeichnis:
Vgl. http://de.fascial-fitness.com/images/presse/Fascial_Fitness_Booklet_Deutsch.pdf
Vgl. http://faszienbuzz.com
Vgl. Schwind, P., Faszien – Gewebe des Lebens, Irinas, 2014
Vgl. Schleip, R., Faszien-Fitness: Vital, elastisch, Riva, 2014
Bild-Nachweise:
Naveen Kalwa / 123rf.com
Alexandersr / pixabay